Dieser Schweizer Geschäftsmann fordert wirtschaftlichen und politischen Pragmatismus

Der Wert liegt für ihn in der Arbeit, nicht in seiner Anwesenheit bei der Arbeit. Als CEO eines Medizinalunternehmens mit einem aktuellen Wert von laut Forbes 3,5 Milliarden Franken weiss Simon Michel alles über Arbeit. Und trotzdem kann er einfach nicht genug haben. Nachdem er 2017 seinen Kanton Solothurn im Regionalparlament vertrat, hat ihn die FDP Schweiz kürzlich in den Nationalrat gewählt.
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"Wenn man etwas bewegen will, muss man dort sein, wo die Entscheidungen getroffen werden", sagt Michel, 46, in einem Interview mit dem Handelsblatt. Im Jahr 2014 übernahm er von seinem Vater den Medizinproduktehersteller Ypsomed mit 2000 Mitarbeitern, einen führenden Entwickler und Hersteller von Injektions- und Infusionssystemen für die Selbstmedikation. Seither hat sich der Wert des renommierten Diabetes-Spezialisten mit über 35 Jahren Erfahrung vervierfacht. Der Anteil der Familie an der Firma beträgt fast 74 Prozent.

 

Politik als Nebenbeschäftigung

Simon Michel begründet sein Interesse an der Politik mit der Dringlichkeit und der Notwendigkeit von Veränderungen, zumindest aber mit der Notwendigkeit, sich zu bewegen. Der Arbeitskräftemangel, auch in Verbindung mit der Migration, die eines der wichtigsten Wahlkampfthemen war, oder die Reform des Rentensystems sind Bereiche, die nach Michels Ansicht dringend politischer Entscheidungen bedürfen. Er selbst möchte kein Vollzeitpolitiker sein. Er befürwortet die Regel, dass jeder Abgeordnete einen eigenen Job außerhalb des Parlaments hat und die Politik als Nebenbeschäftigung ausübt. Dies zeige ein hohes Vertrauen in die staatlichen Institutionen und schaffe Stabilität, so die Befürworter dieses Systems: Nicht das Geld locke die Menschen in die Politik, sondern der Wille, etwas zu verändern und die Schuld der Gesellschaft zurückzuzahlen. Die Schweizer Realität zeigt jedoch, dass die Chefs grosser Unternehmen immer weniger Zeit im Parlament verbringen.

 

Verhandlungsplan mit der EU

Da Michel ein Arbeiter ist, hat er kein Verständnis für den Populismus in der Politik. Als Beispiel dafür, wie weit dieser gehen kann, nennt er die bilateralen Verhandlungen über das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Das Abkommen sollte eine Grundlage für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Union schaffen, zum Beispiel durch die gegenseitige Anerkennung von Industriestandards. Im Mai 2021 stieg die Schweiz jedoch aus den Verhandlungen aus. Bis heute ist das Vertragsverhältnis nicht geklärt, so dass fast zwei Dutzend separate bilaterale Abkommen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen nach und nach erneuert werden. "Das Ergebnis war, dass wir alle unsere Produkte neu testen lassen mussten, als sie auf den deutschen Markt kamen", sagt Michel. Das kostete seine Firma einen zweistelligen Millionenbetrag, den sie nur dank ihrer Gewinnspanne bezahlen konnte. "Aber der Schaden war angerichtet", stellt der liberale Abgeordnete fest.

In den kommenden Jahren werden aber auch in anderen Wirtschaftszweigen wie Chemie, Maschinenbau, Landwirtschaft oder Pharmazie die Anerkennungsverträge für Industrienormen auslaufen. In einem Interview mit dem Handelsblatt macht Michel keinen Hehl daraus, dass sich das ändern muss. "Wir müssen gemeinsam eine Entscheidung erzwingen", sagt er. Und als Unternehmer hat er auch einen klaren Plan. "Im Sommer 2024 werden wir die Verhandlungen mit der EU wieder aufnehmen, und im Frühjahr 2028 werden wir das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU dem Volk vorlegen." Es braucht 51 Prozent der Stimmen in der Volksabstimmung, um angenommen zu werden.

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Gegenseitige Zugeständnisse mit der EU

Michel rechnet mit einer massiven Anti-Kampagne der Volkspartei (SVP), die bei den letzten Wahlen die meisten Stimmen erhalten hat, gegen den Vertrag. Die SVP hat den EU-Vertrag von Anfang an abgelehnt, ebenso wie einige Sozialdemokraten und Gewerkschaften. Der Geschäftsmann sieht das pragmatisch. Man müsse den Leuten und Wählern sagen, dass jeder zweite Franken aus dem Handel mit der EU und jeder dritte aus dem Handel mit Deutschland komme. Auch gegenüber der linken Politik müssten Zugeständnisse gemacht werden. "Wenn uns ein positives Ergebnis eine Viertelmilliarde Franken für die Arbeitnehmer kostet, sind das Peanuts im Vergleich zur heutigen Situation, in der die Schweiz eine dritte Partei ist", schätzt Michel ein. Er sieht vor allem den Mittelstand als eine wesentliche Säule der Wirtschaft, die es zu stärken gilt. So waren die mittelständischen Unternehmen beispielsweise widerstandsfähiger gegenüber der Krise 2008/2009. Die Website Eigentümergeführte KMU schnitten deutlich besser ab als KMU und eigentümergeführte Großunternehmen.

Allerdings verlangt Simon Michel auch Zugeständnisse von der EU. So kann der Europäische Gerichtshof im Streitfall das Schweizer Recht nicht ausser Kraft setzen. Sollen EU-Richtlinien in das Schweizer Rechtssystem übernommen werden, muss darüber das Referendum ergriffen werden. "Der Schweizer Bürger muss das letzte Wort haben", sagt der Geschäftsmann. Doch er ist optimistisch, auf fachlicher Ebene liegen die Verhandlungspositionen sehr nahe beieinander. "Politische Blockaden muss man pragmatisch angehen. Und diesen Pragmatismus will ich in die Politik einbringen", so der Unternehmer abschließend.

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