Finanzierung der Eisenbahn
Nach der Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 war die Schweiz vor allem im Eisenbahnbau einige Jahre im Rückstand. Im Vergleich dazu beförderten die Bahnen von Liverpool und Manchester zu dieser Zeit bereits mehr als fünf Millionen Passagiere. Doch die Schweizer Banken wollten solche Grossprojekte nicht finanzieren und Verhandlungen mit ausländischen Banken scheiterten.
So gründete 1856 die Gruppe um Alfred Escher, einem Eisenbahnbaron und dem mächtigsten Zürcher Politiker seiner Zeit, die Schweizerische Kreditanstalt (SKA). Die Hälfte des Anfangskapitals wurde vom liberalen Zürcher Bürgertum um Escher aufgebracht, die andere Hälfte kam aus Deutschland. Die Euphorie war gross.
Zunächst investierte die Bank stark in eine einzige Eisenbahngesellschaft, die Nordostbahn von Alfred Escher. Später orchestrierte sie die Finanzierung von Eschers Gotthardbahn. Es gab keine Finanzmarktaufsichtsbehörde, die eine übermäßige Risikokonzentration oder gar politische Einflussnahme hätte kritisieren können.
Meistens ging das gut, aber die zahlreichen Krisen der Eisenbahngesellschaften im 19. Jahrhundert bekamen auch die SKA zu spüren. Die damals finanzierten Bahnlinien mussten gerettet und verstaatlicht werden. Sie existieren aber noch heute.
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Investitionen in Deutschland
Später, im November 1857, war die Bank an der Gründung der Rentenanstalt, der ersten Lebensversicherungsgesellschaft der Schweiz (heute Swiss Life), sowie der Helvetia und der Schweizer Rück (Swiss Re) beteiligt. Sie finanzierte die Maschinenindustrie und lancierte einen wichtigen Vorläufer von ABB und OC Oerlikon. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts spielte die SKA eine entscheidende Rolle bei der Beschaffung von Investitionen für die Elektrifizierung des Landes.
Ab 1924 investierten die Schweizer Grossbanken in grossem Stil in Deutschland. Dies war nicht immer ein glücklicher Schachzug, da Deutschland während der Weltwirtschaftskrise die Devisenexporte blockierte. Die wichtige Banque d'Escompte Suisse brach 1934 zusammen und die Schweizerische Volksbank benötigte Staatshilfe. Die SKA erwies sich in dieser Zeit als Überlebenskünstler und kam vergleichsweise glimpflich davon.
Die geraubten Vermögenswerte und die Entschädigung
Während des Zweiten Weltkriegs war die SKA nicht die einzige Schweizer Bank, die eine unrühmliche Rolle spielte. Sie nahm Raubgut aus Nazi-Deutschland entgegen, in gewissem Umfang auch Raubgold, und beteiligte sich mitunter an der Zwangsenteignung ihrer Kunden durch die Nazis. Erst in den 1990er Jahren hat sich die Credit Suisse auf Druck von US-Anwälten mit dieser dunklen Geschichte auseinandergesetzt. Sie und die UBS entschädigten jüdische Opfer mit 1,25 Milliarden Dollar.
Während der Wirtschaftswunderjahre entwickelten sich die Schweizer Banken zum größten Offshore-Finanzplatz der Welt. Aufgrund der politischen Neutralität landeten nach der Suez-Krise 1956 Vermögenswerte aus dem Nahen Osten in der Schweiz. Die Europäer brachten ihr Geld wegen der Stabilität des Landes und seit dem Zusammenbruch des weltweiten Systems fester Wechselkurse nach Zürich. Für viele spielte auch das Bankgeheimnis eine Rolle.
Einkäufe bei den Wettbewerbern
Im April 1977 wurde aufgedeckt, dass die Verantwortlichen der SKA-Filiale im südlichsten Zipfel des Landes jahrelang Schwarzgeld von Italien nach Liechtenstein verschoben und dort verspekuliert hatten. Die SKA erlitt einen Verlust von 1,4 Milliarden Franken, eine für damalige Verhältnisse enorme Summe. Der Aktienkurs der Bank stürzte bis 20% ab. Der Skandal fegte einen Großteil der alten SKA-Führung hinweg und brachte Rainer E. Gut an die Spitze der Bank.
Rainer E. Gut hatte selbst als junger Mann das amerikanische Bankgeschäft in New York kennengelernt. Er war ein begnadeter Dealmaker und prägte seine Bank durch Akquisitionen. Die 1982 gegründete CS Holding, der die SKA einige Jahre später unterstellt wurde, schnappte sich die Neue Aargauer Bank, die grösste Regionalbank des Landes, vor allem aber die Clariden Leu und die Schweizerische Volksbank, zwei der fünf verbliebenen Grossbanken des Landes.
Rainer E. Gut wollte jedoch eine führende internationale Bank aufbauen. Das florierende Vermögensverwaltungsgeschäft verschaffte ihm die nötigen Mittel. In den USA hatte die CS nach und nach die First Boston, eine der bekanntesten Investmentbanken, übernommen.
Konservative Hausbank der Zürcher Eliten
In der Schweiz blieb die Credit Suisse (CS) als unternehmerische Bank bekannt und half Schweizer Unternehmen weiterhin bei der Eroberung der Weltmärkte. In gewissem Sinne blieb sie trotz ihrer Internationalisierung auch eine typisch zürcherische Institution.
Seit 1876 hat sie ihren Hauptsitz in dem ikonischen Gebäude am Paradeplatz. Ein Grossteil der letzten über 16'000 CS-Mitarbeitenden arbeitete in Zürich. Die meisten Zürcherinnen und Zürcher haben Nachbarn oder Freunde, die bei der Bank arbeiten. Sie unterstützte die Zürcher Tonhalle und half bei der Finanzierung der Kunsthaus-Erweiterung.
Die CS-Aktie erreichte 2007 ihren Höchststand, und die Bank war rund 100 Milliarden Franken wert. Die Erfahrung ihrer Krise um die Jahrtausendwende, ein wenig Vorsicht und Glück halfen der CS, auch die Finanzkrise von 2008 zu überstehen. Mit viel Geld aus Katar schaffte sie es, aus eigener Kraft zu überleben, während die anderen reihenweise kollabierten und vom Staat gerettet werden mussten: UBS, Fortis, Royal Bank of Scotland.
Die Credit Suisse hat sich immer auf das Investmentbanking verlassen. Die Renditen waren bisweilen hoch, deckten aber kaum je das eingegangene Risiko. Die Bank wollte immer die reichen Unternehmer der Welt, ihre Privatvermögen und ihre Unternehmen für sich gewinnen. Unter dem 2015 ernannten CEO Tidjane Thiam setzte die Bank verstärkt auf die Expansion in Asien. Und sie machte erhebliche Einsparungen.
Die letzte Rettungsaktion scheiterte
Ein letzter Chefwechsel im Sommer und eine neue Strategie brachten nicht die erhoffte Befreiung. Gerüchte, die Credit Suisse stehe kurz vor dem Kollaps, brachten die Bank im Oktober 2022 tatsächlich in Schwierigkeiten. Vor allem in Asien zogen reiche Kunden enorme Geldbeträge ab. Es wurde kaum mehr über das Potenzial der Bank gesprochen, sondern über ihre Liquiditätsquote und ihr Eigenkapital.
Der Überlebenskünstler hat es wieder einmal geschafft: Im Dezember nahm sie 4 Milliarden Franken frisches Aktienkapital auf, und die Chefs sprachen von Stabilisierung. Als im März 2023 die ersten US-Regionalbanken kollabierten, fragten sich alle, wer der Nächste sein würde. Die Preise für Credit Default Swaps sprachen eine klare Sprache: Credit Suisse. Die Liquiditätshilfen der SNB halfen nicht.
Am 19. März war das Ende der Bank besiegelt: Die UBS würde die CS und den Bund kaufen, und die Nationalbank fungierte mit Hunderten von Milliarden an Notkrediten als Trauzeuge. Die Geschichte der unvergesslichen alten Dame war zu Ende.